Manuela Rousseau ist eine Frau mit vielen Facetten: Sie leitet die Global Corporate Social Responsibility in der Beiersdorf AG in Hamburg, einem DAX-Unternehmen, das mit Marken wie NIVEA, Hansaplast, Eucerin und Tesa weltweit auf Erfolgskurs ist. Seit 1999 ist sie Mitglied im Aufsichtsrat der Beiersdorf AG und seit April 2009 vertritt sie die leitenden Angestellten auch im Aufsichtsrat der maxinvest AG. 1999 erhielt sie die Bundesverdienstmedaille für ihr ehrenamtliches Engagement. Seit 1992 lehrt sie an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg. Die Vogue Business wählte sie 2002 zu den 100 Top Business Frauen in Deutschland. Ein Hauptmotiv des Wirkens dieser engagierten, erfahrenen und vor allem sehr sympathischen Frau ist es, anderen Frauen Mut zu machen, an sich zu glauben, mutig ihren eigenen Weg zu gehen – und niemals aufzugeben.
Warum sind Frauen in der Businesswelt wichtig?
Zunächst einmal sind Frauen heute sehr gut ausgebildet – ihre Kompetenz wird deshalb gebraucht. Sie sind darüber hinaus hoch motiviert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass arbeitende Mütter sehr engagiert und gut organisiert sind, obwohl das gesamte Familienleben überwiegend auf ihren Schultern lastet.
Frauen sind außerdem so wichtig, weil sie andere Kompetenzen mitbringen als Männer. Sie sorgen für einen synergetischen Effekt in der Arbeitswelt, der das Ergebnis besser macht. Das bestätigt auch die Langzeitstudie „Women matter“ der Beratungsfirma McKinsey: Gemischte Teams, heißt es da, arbeiten 30 Prozent erfolgreicher als homogene. Unternehmen sollten dieses Faktum akzeptieren, in die Realität der Businesswelt umsetzen und den Nutzen daraus ziehen.
Wie fing deine berufliche Karriere an?
Wahrscheinlich ganz anders, als sich das die Leserinnen dieses Interviews gerade vorstellen. Mein Werdegang ist voller Brüche, Ups and Downs und auch von Selbstzweifeln geprägt. Im Alter von 14 Jahren musste ich von der Schule abgehen, weil meine Mutter der Überzeugung war, dass Mädchen kein Abitur bräuchten, sondern lieber Geld verdienen sollten. Also habe ich eine Lehre im Einzelhandel in einem Radio-Fernsehgeschäft mit einer Schallplattenabteilung absolviert. Mein Weg war nicht immer leicht, meine Karrierelaufbahn nicht vorhersehbar. Deshalb möchte ich Frauen sagen: Geht entschlossen euren Weg. Sammelt Erfahrungen. Wartet nicht, sondern traut euch, mutig ins kalte Wasser zu springen und Verantwortung zu übernehmen. Man weiß nie, wohin es führt.
Was war die größte Herausforderung, die größte Angst in deiner Karriere?
Häufig hatte ich das Gefühl bei einer neuen Aufgabe, dass sie zu groß sei und dass ich es nicht schaffen würde, weil ich nicht genug Fähigkeiten dafür mitbringe. Manchmal war ich zu zögerlich, statt sofort mutig ja zu sagen, wenn ich gefragt wurde, eine neue Herausforderung zu übernehmen. Heute weiß ich: Frauen sollten sich selbst nicht zu kritisch betrachten, sich nicht in Frage stellen, „Kann ich das überhaupt?“, oder – noch schlimmer – sich erst gar nicht auf eine Herausforderung bewerben. Dein Gegenüber glaubt an dich und daran, dass du der Aufgabe gewachsen bist, sonst würde er oder sie dir das nicht zutrauen, und hätte dich wahrscheinlich nicht gefragt. Männer sind in diesen Situationen cleverer. Sie sehen zuerst die Chancen, gehen die Dinge etwas sportlicher an und sagen sich: „Hey, eine neue Aufgabe. Das versuche ich.“ Sie haben seltener die Selbstzweifel, die Frauen abhalten, den Sprung ins kalte Wasser zu wagen.
Was hat dir auf deinem Weg am meisten geholfen?
Mich haben überwiegend Männer unterstützt. Allen voran mein erster Chef bei Beiersdorf. Er beeindruckte mich zum einen durch seine fachliche Expertise, aber auch durch seine humanistische Haltung, seine Empathie und die Fähigkeit, seine Mitarbeiter so zu fördern, dass sie ihre Talente entfalten konnten. Für mich selbst bedeutete das, dass ich in kürzester Zeit mehr an mich glaubte, mir mehr zutraute als je zuvor. In der Folge entwickelte ich immer mehr Freude an der Verantwortung. Ich würde jeder Frau empfehlen, sich einen solchen Sparringspartner, egal ob Mann oder Frau, zu suchen, der sie zu 100 Prozent unterstützt, ihren Weg zu finden.
Gibt es Dinge, die du heute anders machen würdest? Und wenn ja, was ist das?
Ich würde mir erlauben, von Anfang an mehr Leichtigkeit in mein Berufsleben zu bringen. Mich mehr über Erfolge zu freuen, sie mehr zu genießen, mich in der Leistung anzuerkennen, die ich erbracht habe. Dazu gehört sicher auch, dass ich mein Scheitern an der einen oder anderen Stelle vielleicht anfangs als Hürde empfunden habe, aber rückblickend sagen kann, dass Brüche und Niederlagen oft auch der Anfang von etwas Neuem und Spannendem waren.
Was begeistert dich an deiner Arbeit? Und welche Motivation steckt dahinter?
Ich interessiere mich von Herzen für Menschen und erlebe sie als Bereicherung für mein eigenes Wissen. Jeden Tag lerne ich von und durch jede Person, die ich treffe. Sei es nur eine andere Sichtweise, die ich nicht teilen muss, die mir aber die Gelegenheit gibt, meine Haltung zu überprüfen. Ich bin offen, neugierig und bereit, neue Dinge aufzunehmen und habe das große Glück, immer wieder fantastischen Menschen zu begegnen. Vielleicht wird diese Begeisterung von meinem Wunsch getragen, mich weiterzuentwickeln.
Welche Motivation steckt dahinter?
Diese Frage würde ich gern mit einem Gedicht von Stephen Grellet beantworten.
Ich erwarte, dass ich nur einmal durch diese Welt gehe. Deshalb will ich alles Gute, das ich tun kann, jetzt tun und jede Freundlichkeit, die ich einem Menschen erweisen kann, jetzt erweisen. Ich will es nicht verschieben und nicht übersehen, denn ich werde den gleichen Weg nicht zurückkommen.
Diese Zeilen bewegen, berühren und motivieren mich immer wieder. Sie sind zu meinem Lebensmotto geworden. Ich bin überzeugt: Wenn wir alle richtig verstehen würden, dass unsere Lebenszeit endlich ist, würden wir anderen Menschen mit mehr Respekt und Anerkennung begegnen.
Wie bekommen Frauen Arbeit und Familie unter einen Hut?
Da fragt ihr genau die Richtige. Da ich keine Kinder habe, antworte ich aus der Sicht des Familien-, Freundes- und Kollegenkreises. Oder auch aus der Sicht meiner Mentees, unter denen viele Frauen sind, die sich entschieden haben, Familie und Arbeit zu vereinen. Mir ist in diesem Zusammenhang wichtig: In unserer Gesellschaft besteht immer noch das tradierte Gefühl, dass Familie weiblich sei. Die Verantwortung liegt eindeutig bei zwei Menschen: Mutter und Vater. Wenn Eltern sich die Betreuung und Erziehung wirklich aufteilen, hätten beide oftmals weniger Stress, mehr Freude und mehr Zeit für sich und für ihre Kinder. Es geht nicht nur darum, dass die Väter sich angeblich nicht aktiv einbringen wollen, sondern auch darum, dass die Mütter es oft nicht zulassen. Außerdem sind Politik und Wirtschaft aufgerufen, gute Rahmenbedingungen und Fortschritt für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen. Eine Frage wird sein, ob wir so viel arbeiten müssen, wie wir es heute tun, oder ob wir anders arbeiten sollten.
Dein persönlicher Karrieretipp für Frauen?
Groß denken – und das meine ich nicht nur auf den Job, sondern aufs ganze Leben bezogen. Frauen dürfen sich eine große Vorstellung von ihrem Leben erlauben, um so zu werden, wie sie sein wollen, und ein glückliches und selbstbestimmtes Leben zu führen.